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Liebe Leserinnen und Leser, die politische und gesellschaftliche Stimmungslage in Deutschland war für den öffentlichen Nahverkehr womöglich noch nie so positiv wie in diesen Tagen. Angefangen mit dem sogenannten "Dieselskandal", verbunden mit dem Überschreiten der Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerte in vielen Städten und deshalb drohenden Fahrverboten, und zuletzt kulminiert in der neuen Aufmerksamkeit für die Umweltpolitik ist inzwischen kaum mehr umstritten, dass ohne den Beitrag von Bussen und Bahnen die Mobilität der Menschen nicht im gewünschten und erforderlichen Maß aufrecht erhalten werden kann. Auch der neue Nahverkehrsplan der Stadt Mönchengladbach atmete in Grundzügen diesen Geist und sah erstmals nach Jahrzehnten wieder merkliche Angebotsverbesserungen vor. Dass die Chance auf eine echte Neukonzeption dabei vertan wurde und die praktische Umsetzung der Planungen wenig ambitioniert - bisweilen auch dilletantisch - angegangen wurde, haben wir an dieser Stelle bereits festgestellt. Wie ernst es Politik, Verwaltung und auch Verkehrsunternehmen mit einer offensiveren Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs in Mönchengladbach wirklich meinen, stellte sich dem aufmerksamen Beobachter bereits dabei in Frage - zumal auch die Entscheidung, den Busverkehr zumindest in eine Richtung aus der oberen Hindenburgstraße zu verbannen, in die selbe Zeit fiel.
Nun allerdings die zur Verfügung stehende Fläche so zu beschneiden, dass die Zahl der Haltepositionen um ein Viertel reduziert und trotzdem weitläufig auf den zentralen Platz sowie drei weitere Stellen in den umliegenden Straßen verteilt werden muss, ist die wohl denkbar schlechteste Entwicklung. Der Vorteil des derzeitigen ZOB gegenüber dem vorherigen Zustand bestand gerade darin, die uneinheitlich angeordneten Haltepositionen sowie den ausgelagerten "Überlandbahnhof" auf einer klar geordneten Fläche mit möglichst kurzen Laufwegen sowohl zum Bahnhofsgebäude als auch zwischen den einzelnen Bussteigen zusammenzufassen. Die aktuellen Planungen werden hingegen zu erheblich verlängerten Umsteigewegen führen und damit die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs reduzieren - zumal bei Verspätungssituation, wenn Anschlussverluste drohen und sich die Fahrgäste ohnehin in einer Stresssituation befinden. Auch die angedachte dynamische Belegung einiger Bussteige erfordert eine hohe Aufmerksamkeit der Fahrgäste und macht das Busfahren gewiss nicht einfacher, erst recht nicht für Gelegenheitskunden.
Allerdings: Die Zahl der Busbewegungen am Europaplatz nimmt bereits mit der Umsetzung des neuen Nahverkehrsplans deutlich zu. Und soll der öffentliche Verkehr eine echte Alternative zum Autoverkehr werden, soll er künftig einen deutlich höheren Anteil am städtischen Verkehr haben, um die Umweltziele zu erreichen, wird Platz für weiteres Wachstum benötigt. Die aktuellen Planungen für den neuen ZOB sind daher doppelt töricht: Sie verschlechtern für den bereits bestehenden Verkehr die Situation gegenüber dem heutigen Zustand, und sie nehmen jegliches Potenzial für einen Ausbau des Busverkehrs in der Zukunft. Die Causa Europaplatz reiht sich damit ein in die Entscheidungen zum Busverkehr in der oberen Hindenburgstraße und zur halbherzigen Weiterentwicklung des Busangebots. Selbstverständlich ist Stadtentwicklung sinnvoll und erforderlich - aber Stadtentwicklung und Raumplanung sollten heutzutage mehr denn je immer auch mit Verkehrsplanung einhergehen, zumal an einem solchen Verkehrsknotenpunkt wie dem Europaplatz. Daher muss nun auch dem letzten Optimisten klar sein: Der öffentliche Verkehr steht in der Mönchengladbacher Prioritätenliste beileibe nicht weit oben. Mit dieser Haltung dürfte die Stadt schon bald recht alleine dastehen. Reinbek, im Juni 2019 Manuel Bosch |