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Liebe Leserinnen und Leser,

Mitte Juli wurden die ersten Maßnahmen des weiterentwickelten Busliniennetzes in Mönchengladbach umgesetzt. Vorausgegangen war eine Untersuchung des bestehenden Netzes und die Ableitung von Verbesserungsmöglichkeiten durch ein Planungsbüro als Grundlage für den neuen Nahverkehrsplan der Stadt Mönchengladbach. Aus drei Szenarien hatte sich die Politik schließlich für die Variante mit moderaten Verbesserungen des Angebots entschieden.

Vorweg: Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass nach langer Zeit einmal eine grundlegende Bestandsaufnahme und Überplanung des Busliniennetzes erfolgte, und dass die Politik immerhin einige Angebotsausweitungen inklusive der erforderlichen finanziellen Unterstützung beschlossen hat. Gleichwohl muss man konstatieren, dass bei allem planerischen und politischen Aufwand "der große Wurf" letztlich ausgeblieben ist. Zu sehr orientiert sich das "neue" Liniennetz an den überwiegend seit Jahrzehnten bestehenden Linienverläufen mit historisch gewachsenen Verbindungen und setzt nur punktuell neue Maßnahmen.

Ausgesprochen erfreulich ist die geplante Einführung tangentialer Verbindungen, um die Reisezeiten zwischen den Stadtteilen zu verkürzen und Umwege über das Zentrum zu vermeiden. Enttäuschend dagegen ist der Plan für die Schnellbuslinien: Mit einer lediglich abschnittsweise beschleunigten Linie 007 wird Rheindahlen, mit der ohnehin bislang schon stark ausgelasteten Linie SB83 wird Hardt an das Schnellbusnetz angebunden. Gerade diese beiden Stadtteile sind für eine Schnellbusanbindung an die Innenstadt prädestiniert, erhalten jetzt aber eine allenfalls halbherzige Umsetzung. Dabei wurde bereits seit den frühen 2000er Jahren von einem flächendeckenden Schnellbusnetz für Mönchengladbach gesprochen.

Dabei wird eine weitere Problematik offensichtlich: Weiterhin fehlt eine Hierarchisierung im Liniennetz. Zwar soll es auf einzelnen Linien wie der 002 und der 017 einen durchgehenden 10-Minuten-Takt unter dem Motto "City-Takt" geben, doch auch das ist für den Kunden kaum offensichtlich und kann damit nicht zur intensiven Vermarktung genutzt werden. In einer Stadt mit 260.000 Einwohnern und einer Fläche von 170 Quadratkilometern wäre ein dreistufiges Busnetz durchaus realistisch: Die Hauptachsen würden im dichten Takt bedient (anderenorts beispielsweise als "Metrobus" klar bezeichnet, und auch "City-Takt" wäre bei konsequenter Umsetzung und Erkennbarkeit an der Liniennummerngruppe durchaus passend), die Feinerschließung würde durch die größte Anzahl der Linien als klassische Stadtlinien in differenzierten Takten erfolgen, und darüber würde ein Schnellbusnetz zur schnellen Anbindung der Stadtteile an die beiden Zentren in Mönchengladbach und Rheydt gelegt. Das hätte allerdings den Mut erfordert, auf einem "weißen Blatt Papier" anzufangen und sich von den historischen Linienverläufen zu lösen. Unter Berücksichtigung der Nachfrageströme im öffentlichen wie im Individualverkehr sowie soziodemografischer Faktoren hätten dann die Hauptachsen und die Stadtlinien neu herausgearbeitet werden können.

Und auch das Taktraster wäre durchaus zu hinterfragen: Ein 60/30/15/7,5-Minuten-Taktraster ergibt zwischen den Buslinien verschiedener Taktfrequenzen, aber insbesondere auch zum Schienenverkehr deutlich bessere Verknüpfungen als das beibehaltene 60/40/20/10-Minuten-Taktraster. So soll die Zahl der Abschnitte mit einem 40-Minuten-Takt, der von einer zur anderen Stunde wechselnde Abfahrtsminuten mit sich bringt, im neuen Netz sogar steigen. Hier wäre ein 30-Minuten-Takt wahrlich die bessere Alternative - gerade auch für Stadtteile, die bislang im 20-Minuten-Takt bedient wurden. Umgekehrt wären Verdichtungen von 20- auf 15- oder von 10- auf 7,5-Minuten-Takt dort möglich, wo die Nachfrage(-potenziale) dies rechtfertigen.

Als wären diese grundlegenden Schwächen der Neuplanung nicht bereits eklatant genug, erfolgte die praktische Umsetzung im neuen Fahrplan an einigen Stellen durchaus uninspiriert. Ein 3/17-Minuten-Fahrtenabstand bei den Linien 019 und 004 vom Elisabeth-Krankenhaus zum Marienplatz unterminiert jede durch die Verlängerung der Linie 019 beabsichtigte Angebotsverbesserung - da würde eine Führung der Linie 019 durch Hockstein oder als Ersatz für die Takthalbierung der Linie 024 durch Pongs zum Elisabeth-Krankenhaus wohl einen höheren Mehrwert schaffen. Auch die Beibehaltung der Linienführungen und Endhaltestellen in Hardt bei den Linien 015 und 026 trotz nunmehr äußerst üppiger Wendezeiten erscheint fragwürdig.

Möglicherweise deuten diese Befunde daraufhin, dass es im Verhältnis zwischen der Stadt als Aufgabenträger, dem von der Stadt beauftragten Planungsbüro und der NEW als umsetzendem Verkehrsunternehmen an Abstimmung mangelte - wie es auch bei der Netzreform im Kreis Viersen zum Januar 2005 der Fall war. Klar auf das Konto der NEW geht dagegen die bisweilen stümperhafte Detailumsetzung: Zeitgleiche Parallelfahrten eigentlich überlagernder Linien (015 und 025 sowie 020 und 022), das Verfehlen von Blockabfahrten bzw. um wenige Minuten verpasste Anschlussrelationen (024 am Marienplatz), die nicht zeitgerechte Einrichtung neuer Haltestellen und teils wirre Anpassungen der Fahrgastinformation hinterlassen einen zweifelhaften Eindruck.

Es bleibt zu hoffen, dass bei den beiden noch folgenden Schritten in den Jahren 2018 und 2019 zumindest die operative Umsetzung des neuen Netzes besser gelingen wird als in diesem Sommer. Das zugrundeliegende Konzept mit all seinen Schwächen scheint dagegen für die Laufzeit des Nahverkehrsplans und der ab 2019 beabsichtigten Direktvergabe der Verkehre festgelegt zu sein. Damit wurde eine Chance vertan, das Angebot im Mönchengladbacher Busverkehr auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen und damit die Voraussetzungen für eine signifikante Veränderung des Modal-Split-Anteils zugunsten des öffentlichen Verkehrs zu schaffen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Feinstaub- und Stickoxidemissionen sowie sich abzeichnender Fahrverbote für PKW könnte sich das als kurzsichtig erweisen.

Reinbek, im August 2017

Manuel Bosch