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Liebe Leserinnen und Leser,

zum 01.01.2013 ist die Neufassung des Personenbeförderungsgesetzes in Kraft getreten. Damit wurde das wichtigste nationale Gesetz für den Nahverkehr auf der Straße endlich an die EU-Verordnung 1370/2007 angepasst - fünf Jahre nach deren Veröffentlichung und drei Jahre nach Inkrafttreten. Während in der breiten Öffentlichkeit insbesondere die Liberalisierung des deutschen Fernbusmarktes themati- siert wurde, enthielt die Novelle auch für den städtischen Nahverkehr wichtige Aussagen. Dazu gehört insbesondere die Übernahme der von der EU-Verordnung zugelassenen Direktvergabe an kommunale Verkehrsunternehmen. Die Städte haben damit die Option, auf die eigentlich einschlägige Vergabe von Nahverkehrsleistungen in einem Wettbewerbsverfahren abzusehen und die Leistungen ohne Aus- schreibung direkt an ihr kommunales Unternehmen zu vergeben.

Wenn auch nicht idealtypisch, so haben die Städte Mönchengladbach und Viersen mit der Ende 2011 umge- setzten neuen Struktur der NEW doch die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Direkt- vergabe geschaffen. Neben organisatorischen Kriterien sind allerdings auch wirtschaftliche Anforderungen zu erfüllen, wenn eine Direktvergabe rechtssicher erfolgen soll. Insofern ist eine Direktvergabe alles andere als ein Freibrief für Städte und Verkehrsunternehmen - zwar muss sich das Unternehmen nicht unmittelbar dem Wettbewerb stellen, doch Effizienzkriterien und eine wirtschaftliche Betriebsführung müssen trotzdem eingehalten werden.

Einen erheblichen Anteil am Aufwand der Verkehrsunternehmen haben die Personalkosten. Hier greift in Nordrhein-Westfalen künftig ein weiteres neues Gesetz: Das Land hat ein Tariftreuegesetz verabschiedet, das von Verkehrsunternehmen bei Vergaben einen Tarifvertrag fordert. Allerdings wurde für den Nahverkehr nur ein einziger Tarifvertrag als repräsentativ im Sinne des Tariftreuegesetzes anerkannt, und zwar der Tarifvertrag Nahverkehr der Gewerkschaft verdi. Während die meisten kommunalen Verkehrsunternehmen diesen Tarifvertrag an- wenden, gilt bei den privaten Busbetrieben ein anderer Tarifvertrag des Christlichen Gewerkschaftsbundes. Künftig müssten auch private Busbetriebe den Tarifvertrag Nahverkehr von verdi anwenden, um dem Tariftreuegesetz zu entsprechen.

Nachdem viele kommunale Verkehrsunternehmen Leistungen an private Betriebe als Subunternehmer untervergeben, sind auch sie von den Kostensteigerungen betroffen. Diese Erfahrung haben die Unternehmen am linken Niederrhein in den vergangenen Jahren bereits mit den Personalkosten bei ihrer Beteiligungsgesellschaft West-Bus gemacht, die vor knapp 20 Jahren gegründet worden war, um Fahrpersonal zu günstigeren Konditionen beschäftigen zu können. Nach den letzten Tarifrunden ist das Lohnniveau hier bereits deutlich gestiegen. Mit dem Tariftreuegesetz, aber auch neuen Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung werden die Fahrpersonalgesellschaften gar obsolet - neues Personal wird künftig möglicherweise wieder in den kommunalen Gesellschaften eingestellt. Gewiss: Darin liegt eine Chance für die Qualität des Fahrpersonals und die Stimmung unter den Beschäftigten, und der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist generell sozialpolitisch zu begrüßen. Allerdings führt die Entwicklung dazu, dass die Kosten für den Nahverkehr nochmals erheblich steigen. Nachdem das Verkehrsangebot ohnehin defizitär ist, müssen die Städte die zusätzlichen Kosten ausgleichen - oder das Angebot kürzen.

Wenn die Kosten steigen und öffentliche Mittel knapp sind, muss der Fokus darauf gelegt werden, zusätzli- che Fahrgäste zu gewinnen und möglichst hohe Erlöse aus dem Verkauf von Fahrscheinen zu erzielen. Voraussetzung dafür ist ein attraktives Angebot des Nahverkehrs. Zwei Themen werden in diesem Zusam- menhang in Mönchengladbach schon seit Jahren diskutiert, ohne dass bislang endgültige Ergebnisse vorlie- gen. Der neue Nahverkehrsplan ist weiterhin in Arbeit und wird offenbar mit großen Hoffnungen erwartet - es bleibt abzuwarten, ob der Plan diesen Hoffnungen gerecht werden kann, mehr noch aber, ob Politik und Ver- kehrsunternehmen die Vorschläge auch ernsthaft umsetzen werden.

Ein Dauerbrenner ist unterdessen nachwievor die Frage nach dem Busverkehr in der Hindenburgstraße. Wie an dieser Stelle schon mehrfach betont, ist auch die direkte Erreichbarkeit wichtiger Ziele ausschlaggebend für die Attraktivität des Nahverkehrs. Eine Heraus- nahme der Buslinien aus der Hindenburgstraße wäre insofern eine massive Schwächung des ohnehin fragilen Nahverkehrsangebots in Mönchengladbach. Leider wird die Diskussion unverändert nur politisch und ohne Sachkenntnis geführt. Da kann es auch schon einmal passieren, dass die "Rheinische Post" die Frage stellt, wie lange sich Mönchengladbach als einzige Großstadt einen solchen Busver- kehr in der Fußgängerzone noch leisten möchte - dass in Hamburg (nach Einwohnern mehr als sechsmal so groß) fünf Schnellbus-, vier Metrobus- und eine Stadtbuslinie, mit Gelenk- und Doppelgelenkbussen, bis hinunter zum 3- oder 5-Minuten-Takt durch die Einkaufs- meile Mönckebergstraße fahren, erscheint offenbar nicht relevant. Dass gerade eine Großstadt in Zukunft mehr denn je einen attraktiven Nahverkehr als Standortfaktor benötigt, wohl ebenso nicht.

Leinfelden-Echterdingen, im Februar 2013

Manuel Bosch