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Verehrte Leserinnen und Leser,

ein Jahr ist nun vergangen, seit die neue Unternehmensstruktur der kommunalen Versorgungsunternehmen in Mönchengladbach und Viersen beschlossen wurde. Seither dient die von beiden Städten gemeinsam gegründete Niederrhein Kommunalholding GmbH als Muttergesellschaft für die Bäder- und Verkehrsbetriebe - der NVV mobil und aktiv GmbH einerseits, der Niederrheinwerke Viersen mobil und aktiv GmbH andererseits.

Bei der neuen Unternehmensstruktur standen vor allem die Belange der Energieversorgung im Fokus. Aber auch hinsichtlich ihrer Verkehrsunternehmen soll die neue Struktur den Städten die Möglichkeit bieten, rechtssicher eine sogenannte Direktvergabe der Busverkehre umzusetzen. Bei der Direktvergabe werden die Busverkehre nicht europaweit ausgeschrieben, sondern kommunale Verkehrsunternehmen können unter Einhaltung definierter Kriterien ohne Wettbewerb direkt beauftragt werden. Sie erhalten dann die erforder- lichen Liniengenehmigungen und die öffentlichen Mittel zur Finanzierung des defizitären Verkehrsangebots.

Die gesellschaftsrechtliche Zusammenführung der Energieunternehmen auf der einen, der Verkehrsbetriebe auf der anderen Seite verfolgte naheliegenderweise aber auch Effizienzziele. Durch Größenvorteile lassen sich günstigere Einkaufspreise erzielen, doppelt vorhandene Funktionalitäten abbauen und damit eine höhere Wirtschaftlichkeit erzielen - gerade im defizitären Busverkehr in Zeiten knapper öffentlicher Kassen ein bedeutender Aspekt.

Dieses Ziel scheint durch partikularistische Eigeninteressen allerdings bedroht: So soll der Viersener Verkehrsbetrieb nun ein eigen- ständiges Rechnergesteuertes Betriebsleitsystem (RBL) erhalten. In anderen Verkehrsunternehmen seit 10 bis 20 Jahren bereits Standard, ist der Aufbau eines solchen Systems auch in Viersen uneingeschränkt zu begrüßen. Gleichwohl wäre aber spätestens seit der Zusammenführung von NVV und niederrheinwerken zu erwarten, dass dazu das in Mönchengladbach seit etlichen Jahren im Einsatz befindliche RBL-System um den Viersener Bereich erweitert wird. Hier wären erhebliche Synergieeffekte zu erwarten, ist doch das Grundsystem bereits vorhanden und die dazugehörige Leitstelle dauerhaft besetzt. Die Investitionen würden sich im Wesentlichen auf die Ausstattung der zwei Dutzend Viersener Busse mit entsprechenden Bordrechnern beschränken. Die gerade einmal 13 ganztägig fah- renden Viersener Umläufe wären mutmaßlich von der vorhandenen Leitstellenbesetzung in Mönchengladbach mitzudisponieren; falls gewünscht, wäre auch eine abgesetzte Leitstelle in Viersen vor Ort - im Zweifelsfall nur "zu den Bürozeiten" besetzt - technisch realisierbar. Die Planungen sehen allerdings wider aller Synergien ein völlig autarkes System für die niederrheinwerke vor. Die Investitionen - nahezu vollständig aus öffentlichen Mitteln - dürften um den Faktor zehn höher liegen als bei einer Nutzung des vorhandenen Systems der NVV.

Von einer Zusammenarbeit der Verkehrsbetriebe unter dem gemeinsamen Dach scheint angesichts solcher Entwicklungen noch nichts zu sehen zu sein. Selbst wenn gewisse Ängste der Viersener, die mit nur gut 10% der Größe des Nachbarn der "Juniorpartner" sind, vor einer schleichenden Übernahme nachvollziehbar wären: Der Standort Viersen könnte von einer engeren Zusammenarbeit auch profitieren. So führt die NVV etliche Leerfahrten von und zu ihren Linien in Kreis und Stadt Viersen durch, die bei Nutzung des Viersener Betriebshofes spürbar verkürzt werden könnten. Synergiepotenziale gäbe es also in beide Richtungen, aber der wirtschaftliche Druck - auch auf die beiden Kommunen als Eigentümer - scheint noch nicht groß genug zu sein, diese auch ernsthaft zu nutzen.

Abseits dieser wirtschaftlichen Realitäten möge uns das Weihnachtsfest einige friedliche und ruhige Tage zum Jahresende bescheren. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, frohe Weihnachten, einen guten Start ins neue Jahr und alles Gute für 2012!

Leinfelden-Echterdingen, im Dezember 2011

Manuel Bosch