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Verehrte Leserinnen und Leser,

ein Freitag Vormittag im Juni, Ortstermin in Rheydt: Seit wenigen Wochen fahren die Linienbusse nicht mehr über den Rheydter Ring, sondern durch die Friedrich-Ebert-Straße zum Marienplatz. Mit dieser Führung und einer neu eingerichteten Haltestelle sollen der Straßenzug und die benachbarte Fußgängerzone belebt werden - durchaus ein sinnvoller Ansatz, bringen Bushaltestellen doch nach- weislich Frequenz zum anliegenden Einzelhandel. Quasi nebenbei könnte die direktere Führung der Busse auch für deren Beschleuni- gung sorgen. Die Realität zeigt indes Anderes: Auf gute drei Minuten Verlustzeit an den insgesamt drei Ampeln bringt es die Linie 001 in Richtung Odenkirchen. Schon in der Busschleuse vor der Kreuzung mit der Mühlenstraße steht der Bus länger, es folgen der Haltestel- lenaufenthalt und die nächste rote Ampel an der Bachstraße. Selbst die nur wenige Meter entfernte Ampel am Marienplatz zeigt erneut Rot, als der Bus ankommt. Ob beim festen Schaltprogramm oder mittels Beeinflussung über das Betriebsleitsystem der Busse, hier be- steht noch erhebliches Potenzial für eine zügige Durchfahrt der Busse auf der neuen Route. Dann könnten sowohl die Rheydter Innen- stadt als auch der Busverkehr von der neuen Verkehrsregelung profitieren.

Ortswechsel, die Mönchengladbacher Hindenburgstraße am Nachmittag des gleichen Tages: Bei sonnigem Frühsommerwetter ist die Einkaufsstraße voll von Passanten. In regelmäßigen Abständen fahren Busse berg- wie talwärts, alle drei Haltestellen im Verlauf der Fußgängerzone sind stark frequentiert. Da die Busse durch die Ampelkreuzungen je Richtung gebündelt fahren, ist ein Queren der Hindenburgstraße an beliebiger Stelle gefahrlos möglich und wird auch rege praktiziert. Trotz Möblierung der Außengastronomie und Werbeauf- stellern von Einzelhändlern verkraften die Fußgängerbereiche neben der Fahrbahn den Andrang der Einkaufs- willigen problemlos. Dem Beobachter erschließt sich nicht, warum hier keine Busse fahren sollten.

Während in Rheydt der Busverkehr mit seinen Haltestellen immerhin als sinnvolles Mittel verstanden wurde, die Attraktivität und Bele- bung eines Straßenzuges zu steigern, wird dieser Zusammenhang nur wenige Kilometer nördlich von Teilen der Politik weiterhin negiert. Immer wieder neue, bisweilen abenteuerliche Vorschläge sind zu lesen, wie man den Busverkehr in der Mönchengladbacher Hindenburg- straße verringern oder gar ganz verlagern könnte. Dabei gelten die bereits vor fünf Jahren in einem Blickpunkt zusammengestellten Fak- ten noch immer. Dass das vor wenigen Jahren eingebaute Pflaster den Belastungen des Busverkehrs nicht standhält, kann kein Argu- ment gegen Busse in der Hindenburgstraße sein: Die Belastungen waren exakt prognostizierbar und es gibt weitreichende Forschungs- arbeiten zu geeigneten Bodenbelägen für den Busverkehr. Dass der Einbau ungeeigneter Materialien in kurzer Zeit zu Schäden führt, ist allerorten hinlänglich bekannt. Und auch die politischen Motive für die Diskussion um den Busverkehr in der Hindenburgstraßen bleiben undurchsichtig, sprechen sich doch erhebliche Anteile von Einzelhändlern und Passanten immer wieder für den Busverkehr in der Hin- denburgstraße aus. Der ohnehin eingeschränkten Attraktivität des Mönchengladbacher Busverkehrs würde schwerer Schaden zugefügt, wenn die Busse die Einkaufsstraße als wichtigen Zielort vieler Fahrgäste nicht mehr direkt anfahren könnten.

Dass Attraktivität allerdings ohnehin eine Frage des Blickwinkels ist, zeigt eine Mitteilung der niederrheinwer- ke aus Viersen: Einen funktionierenden Fahrplan brauche man schließlich nicht zu ändern, heißt es sinnge- mäß zum zurückliegenden Sommerfahrplanwechsel. Es ist unbestritten, dass der Fahrplan betrieblich funk- tioniert - im Gegenteil, nach inzwischen Jahrzehnten ohne wesentliche Veränderungen im Fahrplangefüge ist das sogar zu erwarten. Ob der betrieblich funktionierende Fahrplan mit seiner überkommenen Liniennetz- struktur, Stundentakten und Ringverkehren aber aus Kundensicht nicht doch einmal eine Änderung erfordern würde?

Inwiefern die Kundenperspektive überhaupt relevant ist, demonstrieren die niederrheinwerke zeitgleich an anderer Stelle: Im Zuge der Neuorganisation der Gesellschaften von NVV und niederrheinwerken erhielt der Viersener Verkehrsbetrieb eine eigene Internetadresse. Mit www.niederrheinwerke-viersen-mobil.de muss der interessierte Kunde nicht weniger als 30 Textzeichen tippen, um an Informationen zu gelangen. Auf der seit Jahren etablierten und kommunizierten Seite www.niederrheinwerke.de ist unterdessen kein Link oder Hinweis auf die neue Seite des Verkehrsbetriebs zu finden, erst in der dritten Ebene versteckt sich ein Verweis. Die naheliegenderen Adressen www.niederrheinwerke-mobil.de oder www.viersen-mobil.de sind übrigens nicht registriert und noch frei verfügbar.

Leinfelden-Echterdingen, im Juli 2011

Manuel Bosch