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Liebe Leserinnen und Leser, nicht weniger als 21 Hybridbusse werden bis zum Herbst bei den vier kommunalen Verkehrsunternehmen am linken Niederrhein im Ein- satz stehen - in unserem aktuellen Blickpunkt berichten wir ausführlich darüber und stellen die verschiedenen Typen von Hybridbussen vor. Der Einsatz innovativer Fahrzeugkonzepte im Stadium eines Praxistests ist zumindest für Mönchengladbach nicht fremd: Bereits an der Entwicklung des später legendären VÖV-Standardbusses waren die damaligen Stadtwerke Mönchengladbach beteiligt, Ende der 1970er Jahre liefen die allerersten Neoplan-Niederflurbusse bei dem Unternehmen, und auch die Vorläufer der Standard II-Omnibusse wurden hier getestet. Mit geringer werdenden finanziellen Spielräumen, organisatorischen und auch personellen Veränderungen ging der Innovationsgeist ab den 1990er Jahren allerdings verloren. Insofern ist das jetzige Engagement bei der Erprobung von Hybridbussen durchaus bemerkenswert, umso mehr noch bei den kleinen, traditionell eher zurückhaltend agierenden niederrheinwerken in Viersen. Die Erklärung für die plötzliche Innovationsfreude ist im finanziellen Bereich zu finden: Die Beschaffung der Hybridbusse wird vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr mit Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen üppig bezuschusst. Von der ersten Tranche im Frühsom- mer werden 85 Prozent, von der zweiten im Herbst immerhin noch 65 Prozent des Kaufpreises gefördert. Damit ist die Beschaffung von Hybridbussen für die Verkehrsunternehmen mit geringeren Eigenmitteln möglich als bei regulären Dieselbussen. Hinter der massiven Förderung steht der politische Wille, eine nennenswerte Anzahl an Hybridbussen im Rhein-Ruhr-Gebiet in Betrieb zu bringen. Die dabei implizierte ökologische Verbesserung ist mit der für die Verkehrsunternehmen mittelfristig ebenso relevanten Frage nach der Wirtschaftlichkeit von Hybridantrieben eng verbunden: Nur nennenswerte Verbrauchsreduzierungen führen auch zu geringerem Schadstoffausstoß der ohnehin schon sehr umweltfreundlichen Linienbusse, und nur durch möglichst hohe Einsparungen im Kraftstoff- verbrauch lässt sich der höhere Anschaffungspreis refinanzieren. Ob diese Ziele mit dem derzeitigen Entwicklungsstand der Hybridtech- nik erreicht werden können, muss der umfangreiche Testbetrieb an Rhein und Ruhr zeigen. Sollte sich die Hybridtechnik in Linienbussen mittelfristig tatsächlich durchsetzen, wären die am jetzigen Test beteiligten Verkehrsunternehmen am linken Niederrhein immerhin schon auf die neue Technik eingestellt. Nicht minder interessant und in gewisser Hinsicht ebenfalls innovativ ist die Vergabe der gesamten Fahr- zeugbeschaffung des Jahres 2011 an den polnischen Hersteller Solaris - auch darüber informiert der aktuelle Blickpunkt ausführlich. Über die letzten 50 Jahre war der Omnibusbestand in Mönchengladbach und Viersen sehr stark von den beiden großen Herstellern MAN (inklusive Büssing) und Mercedes-Benz geprägt - in Mön- chengladbach von einigen Einzelstücken abgesehen, in Viersen gar mit einem reinen MAN/Büssing-Fuhrpark bis 1987 und erst danach einer Etablierung von Mercedes-Benz als zweitem Lieferanten. Insofern stellt die Hinzunahme eines dritten Herstellers durchaus ein Novum dar. Es zeigt aber auch, dass einerseits Solaris innerhalb von gut zehn Jahren eine ernstzunehmende Position im deutschen Omnibusmarkt erlangen konnte, andererseits die Produkte von Mercedes-Benz, MAN und Solaris sich hinsichtlich Qualität und Preis in einem relativ eng gewordenen Feld angenähert haben. Vorbehalte gegenüber dem polnischen Hersteller Solaris sind zumindest im Vergleich mit MAN wenig stichhaltig: Wesentliche Zulieferteile stammen von den gleichen deutschen Zulieferern, und die Fertigung erfolgt bei beiden Her- stellern in polnischen Werken. Für die Verkehrsunternehmen sind hier eher Ersatzteilservice und Garantieleistungen entscheidend. Dennoch wird abzuwarten bleiben, wie sich die Fahrzeuge von Solaris im täglichen Einsatz bewähren - so oder so werden für den Auftrag des nächsten Jahres wieder alle drei Wettbewerber ernstzunehmende Angebote einreichen. Die Konkurrenz der Hersteller kann für die Verkehrsunternehmen nur positiv sein. Leinfelden-Echterdingen, im Mai 2011 Manuel Bosch |