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Verehrte Leserinnen und Leser,

allerorten sind in den letzten zehn Jahren Nachtverkehrsangebote mit Bussen und Bahnen eingerichtet worden - vor allem in Städten, um dem heutigem Freizeitverhalten und Nachtleben der Bevölkerung gerecht zu werden, aber auch auf dem Land, um die Zahl meist schwerwiegender Verkehrsunfälle jugendlicher Partygänger zu reduzieren. Im Frühjahr jährte sich die Inbetriebnahme des NachtExpress-Netzes in Mönchengladbach zum zehnten Mal, das seither unverändert und stark nachgefragt an den Wochenenden für nächtliche Mobilität sorgt. Dabei werden alle wichtigen Stadtteile erschlossen - nur eine Verbindung fehlt seit jeher: Ins benachbarte Viersen fährt noch immer kein NachtExpress, obwohl vor Ort vor allem für die jugendliche Zielgruppe kaum Angebote zur abendlichen Freizeitgestaltung bestehen und sich die Jugend entsprechend stark auf Mönchengladbach ausrichtet. Für eine solche Netzergänzung mangelt es bislang an politischer Initiative, aber auch an Bereitschaft zur Übernahme der Betriebskosten durch die Stadt Viersen.

Das dies kein Einzelfall ist, zeigt der aktuelle Blick in den westlichen Kreis Viersen. Im Oktober hat die Stadtwerke Krefeld MOBIL AG ihr Nachtverkehrsangebot umgestellt und bietet nun - zehn Jahre nach Mönchengladbach - an Wochenendnächten erstmals ebenfalls einen Nachtverkehr mit Bussen und Straßenbahnen an. Zugleich wird auch unter der Woche ab 22 Uhr bis Mitternacht nach dem NachtExpress-Liniennetz gefahren, wie es viele andere Städte in den letzten Jahren bereits vorgemacht haben. Während es nach Willich, Neersen und Schiefbahn im Anschlussverkehr an die Straßenbahn eine eigene Nachtlinie gibt, ist Kempen künftig ab 22 Uhr von Krefeld aus nicht mehr mit dem Bus zu erreichen. Für diese wichtige Verkehrsbeziehung konnte keine Einigung bezüglich eines Nachtverkehrs erzielt werden. Partikularistische Interessen verhindern hier wie dort ein abgerundetes Angebot.

Stichwort Angebot: Seit Mitte Juni stellt in Mönchengladbach die Schnellbus-Linie SB4 wie berichtet eine Direktverbindung zwischen dem Hauptbahnhof und Giesenkirchen her. Bei einer Fahrzeit von nur 15 Minuten ist diese Linie zeitlich eine echte Alternative zum Individualverkehr. Abgesehen von der an dieser Stelle bereits monierten zögerlichen Weiterführung des innerstädtischen Schnellbus-Programms in Mönchengladbach zeigt sich seither aber auch ein weiteres Problem: Es mangelt massiv an der Vermarktung dieses konkurrenzfähigen Angebotes! Von einigen Zeilen in den Berichten der lokalen Zeitungen zum Fahrplanwechsel abgesehen, wurde dieser Schnellbus nirgends beworben. Keine Anzeigen, keine Plakate, keine Hervorhebung auf den eingesetzten Bussen - man scheint die Attraktivität gar nicht erwähnen zu wollen. Dabei bietet der SB4 endlich einmal die Möglichkeit, auch Autofahrern oder ÖPNV-kritischen Kunden in aller Deutlichkeit die Konkurrenzfähigkeit mit dem Individualverkehr aufzuzeigen, was bei vielen anderen Linien in Mönchengladbach leider nicht immer der Fall ist. Gerade bei Schnellbussen gibt es inzwischen in Deutschland mehrere gute Beispiele für eine ansprechende und aktivierende Produktvermarktung, und nicht zuletzt ein Blick nach Großbritannien liefert dazu reichlich Anregungen.

Dabei wäre es für die Verkehrsbetriebe angebracht, die derzeitigen Tendenzen im Verkehrsmarkt für sich zu nutzen: Die Entwicklung der Kraftstoffpreise über den Sommer hat den Öffentlichen Personennahverkehr aus der Sicht der Kunden einmal mehr ein Stück interessanter gemacht. Der bundesweite Trend zeigte denn auch weiter steigende Fahrgastzahlen im ersten Halbjahr. Die Rahmenbedingungen wären insofern günstig, mit einer aktiven Kommunikation der Vorteile des Angebots von Bussen und Bahnen die Zahl der Kunden zu erhöhen. Angesichts sinkender öffentlicher Zuschüsse und Bereitschaften zur Verlustübernahme könnte damit zudem der Anteil der Nutzerfinanzierung gesteigert werden.

Allerdings: Die Rahmenbedingungen für den ÖPNV bestimmt - wie auch an dieser Stelle schon desöfteren angemerkt - im Wesentlichen die Politik. Dass diese trotz vieler Bekenntnisse zum Umweltschutz den ÖPNV noch immer vernachlässigt, zeigt aktuell die Diskussion um Finanzbeihilfen für die Automobilindustrie und eine Erleichterung bei den Kraftfahrzeugsteuern. Dabei bieten Busse und Bahnen nicht nur auf den Schadstoffausstoß pro Fahrgast bezogen eine mit dem Auto kaum erreichbare Umweltfreundlichkeit, sondern auch die Linienbusse selbst werden von Jahr zu Jahr emissionsärmer. Die in diesem Jahr beschafften Fahrzeuge erfüllen bereits die freiwillige EEV-Abgasnorm, die noch über die erst im kommenden Jahr in Kraft tretende Euro 5-Norm hinausgeht und CO2-, NOx- und Partikelemissionen auf äußerst geringe Werte reduziert. Der Citaro von Mercedes-Benz ist sogar mit dem Umweltsiegel "Blauer Engel" ausgezeichnet, das sich sowohl auf die Herstellung als auch den Betrieb des Fahrzeugs bezieht. Somit bleibt für die Zukunft weiterhin die Frage, wann die Politik diese Vorbildrolle des öffentlichen Nahverkehrs angemessen anerkennt.

Viersen und Besigheim, im November 2008

Manuel Bosch