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Verehrte Leserinnen und Leser,

der Omnibusverkehr in Mönchengladbach rückte in den letzten Wochen und Monaten in den Fokus der örtlichen Presse. Ausgelöst hatte dies ein ÖPNV-Vergleich des Pro Bahn-Aktivisten Roland Stahl, der unter der etwas provokativen Internetadresse www.kein-bus-in-mg.de veröffentlicht wurde. Darin geht es um Betriebszeiten und Takte des ÖPNV-Angebotes in Städten zwischen 150.000 und 370.000 Einwohnern, wobei Mönchengladbach insbesondere im Spät- und Wochenendverkehr äußerst schlecht abschneidet.

Nachdem sich die Medien des Themas angenommen hatten, kam erstmals seit langer Zeit eine Diskussion über das Busangebot in Mönchengladbach auf, der sich auch die Niederrheinische Versorgung und Verkehr AG (NVV) als verantwortlicher Verkehrsbetrieb stellen musste. Gegenüber der Presse, aber auch in einer Telefonaktion der Rheinischen Post gegenüber Lesern wurden die meisten Verbesserungsvorschläge als nicht umsetzbar oder unrealistisch wegen zu geringer Nachfrage dargestellt. Lediglich in einzelnen Punkten deutete die NVV einen Überprüfungsbedarf an.

Der erwähnte ÖPNV-Vergleich mag methodisch durchaus zu hinterfragen sein, lassen sich doch die aufgeführten Städte nicht ohne Weiteres alle miteinander vergleichen bzw. aus dieser einfachen Betrachtung eine haltbare Aussage über die Qualität des ÖPNV-Angebotes ziehen. Dafür sind vor allem die strukturellen Rahmenbedingungen zu verschieden, auch wurden Bus- und Schienennetze nicht unterschieden. Doch die Kernaussage, dass das Angebot in Mönchengladbach nicht nur im Vergleich, sondern insbesondere in der subjektiven Wahrnehmung der Bürger und Fahrgäste vor Ort als eher schlecht bewertet wird, ist in jedem Fall zutreffend.

Dass dabei besonders der Spät- und Wochenendverkehr negative Bewertungen erhält, verwundert nicht, wurden doch hier in den letzten Jahren deutliche Einsparungen vorgenommen, während das Angebot tagsüber weitgehend unverändert blieb. Dass allerdings seitdem längere Ladenöffnungszeiten und ein verändertes Freizeitverhalten ihre Bedeutung auch für das ÖPNV-Angebot entfalten, scheint den Verantwortlichen bislang entgangen zu sein. Bedienungszeiten und Taktfrequenzen in den Abendstunden sowie am Wochenende ließen sich im Rahmen des vorhandenen Netzes mit überschaubarem Arbeitsaufwand verbessern. Dass dabei zusätzliche Kosten entstehen, steht außer Frage, aber vor allem an Samstag Nachmittagen und in den Abendstunden bis gegen 22 Uhr scheint eine bestehende Nachfrage nach besseren ÖPNV-Leistungen diese auch aus wirtschaftlicher Sicht zu rechtfertigen.

Die Diskussion um solche offensichtlichen Schwächen im Mönchengladbacher ÖPNV-Angebot darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das gesamte Busnetz noch immer am Straßenbahnnetz der Zwischenkriegszeit orientiert und neue Verkehrsströme ebensowenig berücksichtigt wie ein verändertes Nutzungsverhalten und höhere Ansprüche der Fahrgäste sowie andere Rahmenbedingungen im motorisierten Individualverkehr. Ein attraktives, hochwertiges und damit als Alternative zum Individualverkehr geeignetes Busangebot in Mönchengladbach erfordert eine vollständige Neuplanung des Netzes, der Verknüpfungspunkte und Fahrpläne. Dies erfordert nicht nur immensen Planungsaufwand und entsprechende Kosten, sondern ist ein mittel- bis langfristiger Prozess, den man nicht innerhalb weniger Monate umsetzen kann. Grundvoraussetzung dafür wäre zudem, dass die Verantwortlichen die Mentalität ablegen, dass für Angebotsverbesserungen kein Bedarf und keine Nachfrage bestehen würden: Das gegenwärtige Angebot schafft zwar aufgrund seiner alten, komplizierten Strukturen mit den genannten Schwächen keine neue Nachfrage. Ein attraktives, neues Netz, das angemessen vermarktet wird und sich aufgrund einer übersichtlicheren Gestaltung auch an bisherige Nichtkunden vermarkten lässt, kann mit Gewissheit positive Auswirkungen auf die Nachfrage entfalten - auf die Einnahmensituation des Verkehrsbetriebs damit im Übrigen auch.

Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass für solch ein Projekt auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten. Die NVV als Betreiber sieht sich derzeit im Spannungsfeld zwischen unternehmerischem Handeln auf der einen Seite und einem durch rechtliche Vorgaben bedingten steigenden Gestaltungsanspruch von Politik und Verwaltung andererseits - von finanziellen Vorgaben seitens der Kommune einmal ganz abgesehen. Entsprechend liegt es vor allem an der Politik in Mönchengladbach, eine kurzfristige Verbesserung des ÖPNV-Angebotes ebenso wie eine mittel- bis langfristige Neuausrichtung desselbigen bei der NVV einzufordern, zugleich aber dem Unternehmen auch die Möglichkeiten und Freiräume dazu zu schaffen. Voraussetzung dafür wäre die Erkenntnis, dass der ÖPNV nicht nur ein Angebot für Zwangsnutzer sein darf, sondern ein wesentlicher Standortfaktor einer Stadt und Region ist und inbesondere in Zeiten weiter wachsenden Verkehrs sogar notwendig ist, um die Verkehrssituation einer Stadt weiterhin beherrschen zu können.

Dass dies in Mönchengladbach noch in weiter Ferne liegt, zeigt - einmal mehr - das Beispiel des Busverkehrs in der als Fußgängerzone ausgelegten Hindenburgstraße: Die anliegenden Händler konnten gegenüber der Verwaltung erreichen, dass der Busverkehr früher als ursprünglich geplant bereits Anfang Oktober wieder in die renovierte Hindenburgstraße zurückverlegt wird. Auch der NVV dürfte aus eigenem Interesse an einer dauerhaften Nutzung der Hindenburgstraße gelegen sein, erhöht dies doch nicht nur die Attraktivität der Busverbindungen, sondern ermöglicht auch ein schnelleres und verkehrsunabhängigeres Vorankommen mit kürzen Fahrzeiten in der Innenstadt. Letztlich wurden zurecht auch neue, unheilvolle Planungen zur Verlagerung des Busverkehrs aus der Hindenburgstraße in Zusammenhang mit dem Bau eines neuen Einkaufszentrums anstelle des ehemaligen Stadttheaters abgeändert. Trotz aller Argumente von Handel, Verkehrsbetrieb und Fahrgästen sieht die Verwaltung der Stadt Mönchengladbach aber weiterhin die Notwendigkeit, die Zahl der Busbewegungen in der Hindenburgstraße zu verringern - es müssten schließlich nicht alle Linien die Einkaufsstraße direkt anfahren... Mit welcher Berechtigung die Verwaltung solche Überlegungen anstellt, wenn doch alle anderen Beteiligten bereits eindeutige Meinungen geäußert haben, bleibt fraglich - und verdeutlicht den Stellenwert des ÖPNV und die Rahmenbedingungen für selbigen in Mönchengladbach.

Dass trotz steigender Kraftstoffpreise sowie in den letzten Monaten sinkender Absatzzahlen auf dem deutschen Automarkt eine Pressemitteilung der Stadt Mönchengladbach im Mai 2007 den Titel "Trend zum Zweitwagen hält weiter an" trägt, verwundert den aufmerksamen Beobachter indes nicht. Wie es anders geht und man Buslinien als Marken etablieren sowie als eigenständige Produkte vermarkten kann, zeigt derweil der im freien Wettbewerb um Kunden befindliche britische ÖPNV-Markt. Einen lesenswerten Beitrag dazu - der nicht nur in Mönchengladbach, sondern überall in Deutschland zum Nachdenken und Nachmachen anregen sollte - bietet zur Zeit das stadtbus.de-Thema.

Fazit: Die angestoßene Diskussion ist notwendig, sollte aber angemessen geführt und realistisch betrachtet werden. Punktuelle Verbesserungen durch die NVV dürfen durchaus erwartet werden, für eine erforderliche grundsätzliche Neuausrichtung des ÖPNV-Angebotes in Mönchengladbach fehlen allerdings grundlegende Voraussetzungen - bedauerlicherweise.

Viersen und Besigheim, im September 2007

Manuel Bosch