Blickpunkt

 

 

Neue Diesel- und Hybridbusse am linken Niederrhein

Die Fahrzeugbeschaffungen der kommunalen Verkehrsunternehmen am linken Niederrhein waren in den zurückliegenden Jahren eher unspektakulär. Die Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein bestellte wechselweise bei Mercedes-Benz und MAN die jeweils aktuellen Niederflurbusse. Das sollte sich im Jahr 2010 ändern: Zum ersten Mal wurden gleich drei unterschiedliche Hersteller im Rahmen der Gemeinschaftsbeschaffung beauftragt, und dabei kam erstmalig auch der polnische Hersteller Solaris zum Zuge. Darüber hinaus startete im Jahr 2010 die Beschaffung von innovativen Linienbussen mit Hybridantrieb, von denen im Jahr 2011 weitere Exemplare vier unterschiedlicher Bauarten in den Einsatz gelangen sollen. Vor diesem Hintergrund porträtiert niederrheinbus.de im Folgenden die aktuellen Diesel- und Hybridbusse.

Beschaffungen der Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein
Die Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre von den kommunalen Verkehrs- unternehmen am linken Niederrhein gegründet. Durch die gemeinsame Beschaffung von Neufahrzeugen sollen günstigere Einkaufspreise erzielt werden. Der Kooperationsgemeinschaft gehören heute die NVV mobil und aktiv GmbH (NVV) aus Mönchengladbach, die Niederrheinwerke Viersen mobil GmbH (niederrheinwerke), die Stadtwerke Krefeld MOBIL GmbH (SWK), die Stadtwerke Neuss GmbH (SWN) und die WestEnergie und Verkehr GmbH (west) aus Erkelenz an.

Hybridantriebe im Linienbus
 
Neben der Weiterentwicklung des klassischen Die- selmotors - getrieben vor allem durch die immer strengeren Euro-Abgasnormen - befassen sich nahe- zu alle Hersteller von Linienbussen in den letzten Jahren mit Hybridantrieben. Dabei werden ein Ver- brennungsmotor und ein elektrischer Antrieb kombi- niert, wobei es zwei unterschiedliche Bauformen gibt: Beim parallelen Hybridantrieb treiben beide Motoren das Fahrzeug gemeinsam an, beim seriellen Hybrid- antrieb hingegen fährt der Bus rein elektrisch und der Verbrennungsmotor arbeitet nur zur Stromerzeugung. Eine weitere Komponente des Hybridantriebs ist ein Energiespeicher, um die beim Bremsen entstehende Energie als Strom zu speichern und beim Anfahren wieder nutzen zu können. Ausführliche Informationen zur Technik von Hybridbussen und den Modellen der verschiedenen Hersteller finden Sie bei stadtbus.de.
 

















 
Die damals neue Omnibusgeneration wurde von der Kooperationsgemeinschaft erstmals im Jahre 1999 und dann durchgehend bis 2002 bei MAN beschafft, zu- nächst in der Ausführung mit Euro 2- und bei der letzten Serie mit Euro 3-Moto- ren. Es folgten von 2003 bis 2005 drei Lieferungen von Mercedes-Benz mit Euro 3-Motoren. Mit dem Modellwechsel auf Euro 4-Motoren, der bei beiden Herstel- lern auch mit einer optischen Überarbeitung ihrer Fahrzeuge einherging, erhielt wiederum MAN für die Jahre 2006 und 2007 den Auftrag. In den beiden Folgejah- ren wurde dann erneut Mercedes-Benz mit der Lieferung beauftragt, die Fahrzeu- ge dieser Baujahre wurden bereits mit Motoren der freiwilligen EEV-Abgasnorm ausgestattet.

Der Auftrag für das Jahr 2010 wurde untypischerweise aufgeteilt und dabei sogar drei Hersteller berücksichtigt: Die SWK und die NVV beauftragten Mercedes-Benz, die niederrheinwerke MAN sowie die SWN, die west und die NVV für einen kleinen Anteil erstmals Solaris. Nach diesem Ergebnis, das dem eigentlichen Zweck der Kooperationsgemeinschaft zuwider lief, wurde für die Beschaffung des Jahres 2011 eine gemeinsame Bestellung bei einem Hersteller vereinbart und schließlich der gesamte Auftrag an Solaris vergeben. Unabhängig von diesen regulären, jährlichen Beschaffungen zur kontinuierlichen Erneuerung des Fahr- zeugbestandes haben die Verkehrsunternehmen der Kooperationsgemeinschaft aufgrund eines Förderprogramms des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr für die Jahre 2010 und 2011 innovative Linienbusse mit Hybridantrieb bei verschiedenen Herstellern bestellt.

Mercedes-Benz Citaro
NVV 0912 NVV 1011 Seit dem Jahr 1997 produziert Mercedes-Benz die aktuelle Linienbusgeneration Citaro. Bis Ende 2010 konnten 30.000 Einheiten verkauft werden, so dass es sich um den erfolgreichsten Linienbus Westeuropas handelt. Im Jahr 2006 erfolg- te eine umfassende Überarbeitung, die sowohl zahlreiche technische Komponen- ten - neben der Umstellung der Motoren auf die Euro 4-Abgasnorm beispielswei- se eine Einzelradaufhängung der Vorderachse - als auch die Optik betraf. Der Citaro wird im Werk Mannheim gefertigt, aufgrund der hohen Nachfrage produzie- ren teilweise auch die Werke Neu-Ulm und Ligny (Frankreich) für den deutschen Markt mit.

Die aktuelle Ausführung des Citaro wurde von den Verkehrsbetrieben am linken Niederrhein erstmals im Jahr 2008 beschafft. Zum Ein- satz kommen die beiden Standardausführungen: Der 12 Meter lange Solowagen O 530 mit dem 7-Liter-Motor OM 906 mit einer Leistung von 279 PS und der 18 Meter lange Gelenkbus O 530 G mit dem 299 PS leistenden 12-Liter-Motor OM 457. Sämtliche in den Jahren 2008 bis 2010 beschafften Citaro halten bereits die freiwillige Abgasnorm EEV (Enhanced Environmentally Friendly Vehicle) ein, die noch über die Euro 5-Norm hinaus geht.

Mercedes-Benz setzt dabei unter der Bezeichnung BlueTec auf die sogenannte selektive katalytische Re- duktion (SCR), bei der Stickoxide in den Abgasen mit einer Harnstofflösung gebunden werden. Die als Ad- Blue bezeichnete Harnstofflösung muss zusätzlich zum Dieselkraftstoff in einem separaten Tank mitgeführt werden. Um die EEV-Norm hinsichtlich der Partikelemissionen einhalten zu können, kombinierte Mercedes-Benz die SCR-Einheit zunächst mit einem Partikelfilter. Seit Mitte 2010 kann die EEV-Norm beim Citaro nun auch ohne Partikelfilter eingehalten werden, wodurch Anschaffungs- und Wartungskosten gesenkt sowie auf- grund des geringeren Raumbedarfs auf der Fahrerseite der äußere rückwärtige Sitzplatz der Rundsitzecke im Heckbereich wieder einge- baut werden können. Die von der Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein beschafften Fahrzeuge des Baujahres 2010 sind dem- entsprechend ohne Partikelfilter ausgeführt. Darüber hinaus können die Citaro-Solowagen mit dem Umweltgütezeichen "Blauer Engel" ausgezeichnet werden, wenn auf bestimmte Lacke verzichtet wird - die Mönchengladbacher NVV hat deswegen ihre Fahrzeuge ab dem Baujahr 2008 nur noch bekleben statt lackieren lassen und mit dem "Blauen Engel" versehen.

SWK 5628 SWK 5628 Ende 2007 stellte Mercedes-Benz einen Citaro-Gelenkbus mit Hybridantrieb vor. Zwei Jahre später erfolgten die ersten Einsätze im Linienverkehr, Anfang 2010 begann die Auslieferung erster Fahrzeuge an Verkehrsbetriebe. Der O 530 GDH ist mit einem seriellen Hybridantrieb ausgestattet. Ein Dieselmotor mit nur noch 4,8 Litern Hubraum dient lediglich als Stromgenerator. Das Fahrzeug wird mit insgesamt vier elektrischen Radnabenmotoren an den Achsen 2 und 3 angetrie- ben. Beim Bremsen produzieren diese Motoren Strom, der in einem Lithium-Ionen-Akku auf dem Fahrzeugdach gespeichert wird. Da auch sämtliche Nebenaggregate elektrisch angetrieben werden, ist mit dem Strom aus dem Akku ein Fahrbetrieb mit abgeschaltetem Dieselmotor möglich.

MB O 530 GDH SWK 5628 Mit der vollständigen Elektrifizierung und der Verwendung von Radnabenmotoren gehört der O 530 GDH zu den technologisch weitreichendsten Hybridbussen. Dies schlägt sich bislang allerdings auch in einem hohen Kaufpreis nieder. Die Krefelder SWK erhielt im Spätsommer 2010 insgesamt vier dieser Fahrzeuge, die seither im regulären Liniendienst zum Einsatz kommen. Dabei werden unter wissenschaftlicher Begleitung die Einsatztauglichkeit und der Energieverbrauch erforscht. Mindestens zwei weitere O 530 GDH erhält die SWK im Sommer 2011, auch die Mönchengladbacher NVV wird in diesem Jahr ein solches Fahrzeug in Dienst stellen.

MAN Lion's City
niederrheinwerke 34 niederrheinwerke 34 Ebenfalls 1997 stellte MAN seine neue Linienbusgeneration vor. Wie bei Merce- des-Benz erfolgte auch hier zum Jahr 2006 hin eine umfassende Überarbeitung des Produkts, die sich neben völlig neu entwickelten Motoren auch in einer neuen Optik ausdrückte. Seither werden die Linienbusse von MAN unter dem be- reits einige Jahre zuvor eingeführten Produktnamen Lion's City vermarktet. In den Jahren 2006 und 2007 gelangten Lion's City in der damaligen Ausführung mit Euro 4-Motoren der Motorbaureihe D20 in den Bestand der Verkehrsbetriebe am Niederrhein, sowohl als 12 Meter langer Solowagen A21 mit 270 PS als auch als 18 Meter Gelenkbus A23 mit 310 PS.

Nach 2007 konnte MAN lediglich im Jahr 2010 wieder zwei A21 an die niederrheinwerke in Viersen liefern, die nun bei leicht auf 280 PS gesteigerter Leistung die EEV-Abgasnorm einhalten. Zur Einhaltung der jüngsten Abgasnormen verwendet MAN im Gegensatz zu Mer- cedes-Benz die Technik der Abgasrückführung. Das System kommt dabei ohne die Betankung mit Zusatzstoffen aus, was sich in dem Markenbegriff MAN PURE DIESEL ausdrückt. Sämtliche Niederflurbusse von MAN werden im polnischen Poznan gefertigt.

MAN A37 Hybrid MAN A37 Hybrid Mit einzelnen Testfahrzeugen entwickelt MAN bereits seit etlichen Jahren einen Hybridantrieb für seine Linienbusse. Die jüngste Version des A37 Hybrid wurde im Herbst 2009 vorgestellt und die Auslieferung einer Reihe von Fahrzeugen an Verkehrsbetriebe angekündigt. Tatsächlich gelangten aber erst zum Ende des Jahres 2010 nur vereinzelte Wagen in den Linienbetrieb. Der A37 Hybrid ist eben- falls mit einem seriellen Hybridantrieb ausgestattet, der gemeinsam mit Siemens entwickelt wurde. Im Gegensatz zum Citaro Hybrid kommen zum Antrieb der Hinterachse elektrische Zentralmotoren zur Anwendung, wodurch der Antriebsstrang mehr Bauraum erfordert. Als Energiespeicher die- nen bei MAN Superkondensatoren. Auch der Lion's City Hybrid ist für rein elektrisches Fahren ausgelegt. Im Sommer 2011 werden die niederrheinwerke in Viersen als erstes Unternehmen am linken Niederrhein einen MAN A37 Hybrid erhalten.

Solaris Urbino
NVV 1013 NVV 1015 Der Hersteller Solaris Bus & Coach entstand aus einem 1996 errichteten Werk des deutschen Herstellers Neoplan im polnischen Bolechowo nahe Poznan. Seit 2001 firmiert das polnische Unternehmen als Solaris, bereits zwei Jahre zuvor war erstmals der neuentwickelte Niederflurbus Urbino vorgestellt worden. Zum Jahr 2004 erfolgte eine Weiterentwicklung des Fahrzeugs, bei der auch die bis heute aktuelle Optik eingeführt wurde. Innerhalb weniger Jahre gelang es Solaris, sich zum bedeutendsten ausländischen Hersteller von Linienbussen für den deut- schen Markt zu entwickeln.

Im Jahr 2010 entschieden sich erstmals auch einige Unternehmen der Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein zu einer Beschaffung bei Solaris. Die Mönchengladbacher NVV erhielt drei Solowagen, die west in Erkelenz je zwei Solo- und Gelenkwagen sowie die Neusser SWN zehn Gelenkbusse. Der 12 Meter lange Solowagen Urbino 12 und der 18 Meter lange Gelenkbus Urbino 18 werden von DAF-Motoren mit 255 bzw. 310 PS angetrieben, die die EEV-Abgasnorm einhalten. Die DAF-Motoren sind dafür mit einer SCR-Einheit ausgestattet, so dass auch bei den Fahrzeugen von Solaris eine zuätzliche Betankung mit AdBlue erforder- lich ist. Abweichend von Citaro und Lion's City ist der Urbino ausschließlich mit in einem Motorturm hinten links stehenden Motoren er- hältlich. Daraus resultiert eine ungewohnte Sitzanordnung im Heckbereich, unabhängig davon sind auch hinter der ersten Achse mehr Sitze auf Podesten angeordnet als bei Mercedes-Benz und MAN. Durch die Verwendung des einheitlichen VDV-Fahrerplatzes ergeben sich hingegen für den Fahrer keine Unterschiede.

Solaris Urbino 18 Hybrid SWN 2010 Solaris war der erste Hersteller, der ab dem Jahr 2006 in Westeuropa mit dem Urbino 18 Hybrid einen serienmäßig produzierten Linienbus mit Hybridantrieb an- bot. Hierbei handelte es sich um einen parallelen Hybridantrieb, der von Allison zugeliefert und in der Folgezeit weiterentwickelt wurde. Die ab 2008 hergestellte Version verfügt über Nickel-Metallhydrid-Akkus zur Speicherung der Bremsener- gie. Im Jahr 2010 entstand eine weitere Ausführung, für die der parallele Hybrid- antrieb von Voith entwickelt wurde und die mit Superkondensatoren statt des Akkus ausgestattet ist. Bei beiden Varianten wirken der Diesel- und der zentrale Elektromotor über ein gemeinsames Getriebe auf die dritte Achse. Die Neusser SWN erhielt im Frühjahr 2010 einen Urbino 18 Hybrid mit Allison-Hybridantrieb. Sechs weitere, dann aber mit Voith-Komponenten ausgestattete Fahrzeuge sollen bis zum Sommer 2011 folgen.

Solaris Urbino 12 Hybrid Solaris Urbino 12 Hybrid Neben diesen Gelenkbussen bietet Solaris auch einen Solowagen Urbino 12 Hy- brid mit einem parallelem Hybridantrieb von Eaton an. Als Stromspeicher kom- men in diesem Fall Lithium-Ionen-Akkus zur Anwendung, die als Besonderheit unter den Sitzen angeordnet sind, so dass das Fahrzeug ohne Dachaufbauten auskommt. Auch wenn der parallele Hybridantrieb kein rein elektrisches Fahren ermöglicht, so ist der Urbino 12 Hybrid immerhin mit einer Start-Stopp-Automatik ausgestattet, die den Dieselmotor im Stillstand abschaltet. In Deutschland ist bislang noch kein Fahrzeug dieser Bauart im Liniendienst. Im Jahr 2011 sollen die NVV in Mönchengladbach und die niederrheinwerke in Viersen jeweils einen Solaris Urbino 12 Hybrid erhalten.

Ausblick
Mit der Entscheidung, neben Mercedes-Benz und MAN im Jahr 2010 mit Solaris einen dritten Lieferanten zu beauftragen, hat die Vielfalt der Linienbusse am linken Niederrhein zugenommen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, nachdem im Jahr 2011 sogar die gesamte Bestellung der Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein an Solaris vergeben wurde. Damit kann sich der polnische Hersteller mit nennenswerten Stückzahlen etablieren.

Parallel dazu werden im Jahr 2011 weitere Hybridbusse am linken Niederrhein in Betrieb gehen. Dann werden vier verschiedene Bauarten von Hybridbussen im Liniendienst getestet: Auf der einen Seite Solowagen mit serieller Hybridtechnik von MAN in Viersen und Gelenk- busse mit seriellem Hybridantrieb und Radnabenmotoren von Mercedes-Benz in Mönchengladbach und Krefeld, auf der anderen Seite Solowagen mit paralleler Hybridtechnik von Solaris in Mönchengladbach und Viersen sowie Gelenkbusse mit parallelem Hybridantrieb des selben Herstellers in Neuss - in Summe nicht weniger als 21 Hybridbusse bei vier Unternehmen. Dank erheblicher Fördermittel be- teiligt sich die Kooperationsgemeinschaft Mittlerer Niederrhein damit in nennenswertem Umfang an der Erprobung dieser neuen Antriebs- technik, deren dauerhafte Einsatztauglichkeit ebenso wie die erwarteten Verbrauchsminderungen sich erst noch erweisen müssen.